Bio-bibliographisches Autorenlexikon der lateinischsprachigen Luxemburger Schriftsteller des Humanismus und der Frühen Neuzeit.

CERC-Projekt von Marc Laureys

Im Gegensatz etwa zum „italienischen“, „französischen“, „deutschen“ oder „englischen“ Humanismus, gibt es keinen sich durch gemeinsame Charakteristika, Ausdrucksformen oder Institutionen (Universitäten, Bibliotheken, Akademien u.dgl.) auszeichnenden und sich durch und über sie definierenden „Luxemburger“ Humanismus. Dies impliziert aber mitnichten, dass es zur Zeit des Humanismus und der Frühen Neuzeit keine Luxemburger Humanisten (Schriftsteller, Gelehrte, Pädagogen, Mäzene) gegeben habe, sondern ist eher ein Zeichen dafür, dass auch heute noch ein aus dem 19. Jahrhundert stammender, nationalstaatlich ausgerichteter Literaturgeschichtsbegriff das dominante Paradigma darstellt, das freilich immer dann zu kurz greift, wenn es sich um die Ein- bzw. Zuordnung von Schriftstellern geht, die sich zu ihrer Zeit sehr wohl ihrer Herkunft und Zugehörigkeit bewusst waren (bzw. von ihren Zeitgenossen eindeutig als „Luxemburger“ identifiziert wurden), deren Leben und Wirken aber gemessen an den heutigen Grenzverläufen nicht mehr so eindeutig zugeordnet werden kann. Ein paar Beispiele mögen diesen Sachverhalt illustrieren:

(i) Janus Corycius (ca. 1457-1537) wirkte unter sechs Päpsten (von Alexander VI. bis Clemens VII.) als Supplikenreferent in Rom und galt als ein wichtiger Literaturmäzen seiner Zeit. Ihm sind die sog. Coryciana gewidmet, eine Sammlung, in der über 250 neulateinische Dichter vertreten sind, und die man den „ältesten Musenalmanach“ genannt hat (L. Geiger). Corycius wurde im luxemburgischen Koerich geboren; sein heute noch in der Kirche Sant’Agostino in Campo Marzio (Rom) erhaltener Grabstein bezeichnet ihn eindeutig als „Lucemburg[us]“.

(ii) Bartholomaeus Latomus (ca. 1498-1566) bezeichnet sich selbst immer als „Arlunensis“, was sich auf seinen Geburtsort Arlon, der heute in Belgien gelegen ist, aber bis 1839 (Londoner Konferenz) zu Luxemburg gehörig. Latomus ist geradezu emblematisch für einen Luxemburger Humanisten, der durch alle historiographischen Raster hindurchfällt:  Nach einigen Jahren als Hochschullehrer in Trier, Köln, Freiburg im Breisgau und Leuven (am Collegium Trilingue) wurde er 1530 (auf Anraten von Guillaume Budé) von François Ier als erster Professor für lateinische Eloquenz an das neu gegründete Collège Royal berufen. 1542 verließ er diesen Posten, um in Koblenz bei seinem Jugendfreund, dem Fürsterzbischof Johann Ludwig von Hagen, eine Stelle als Berater a secretis anzutreten. Sowohl die verschiedenen Wirkungsorte von Latomus als auch die verschiedenen sprachlichen Umfelder, in denen er sich bewegte, machen ihn zu einem „Unklassifizierbaren“ – es sei denn, man nimmt ihn für das, was er war, nämlich für einen luxemburgischen Dichter, Gelehrten Kommentator, Kontroverstheologen u.s.w.

(iii) Erwähnt sei beispielshalber auch noch Nicolaus aus Mamer, nach seinem Geburtsort in Luxemburg besser als „Mameranus“ (ca. 1500-1567) bekannt. Von Kaiser Karl V. im Jahre 1555 zum poeta laureatus gekrönt und zum comes Palatinus ernannt, spricht Georg Ellinger in seiner unsterblichen Geschichte der neulateinischen Literatur Deutschlands im 16. Jahrhundert immer wieder mit großer Selbstverständlichkeit von ihm als von dem „Luxemburger Mameranus“, und dies unbeschadet der Tatsache, dass Mameranus (ebenso wie die beiden anderen Genannten) den größten Teil seines aktiven Lebens fern von seiner Heimat zubrachte und wohl in Augsburg gestorben ist.

Es versteht sich von selbst, dass die drei hier nur exempli gratia genannten „Luxemburger“ Humanisten allein in einer gesamteuropäischen Perspektive adäquat erforscht und dargestellt werden können, und dass in diesem Rahmen das Spannungsverhältnis zwischen Romania und Germania die beiden funktionalen Eckpunkte definiert, zu denen Luxemburg gleichsam den Scheitelpunkt bildet. Viele Lebensläufe sind den hier skizzierten vergleichbar oder analog, und es liegt auf der Hand, dass auch das literarische Schaffen der in Frage kommenden Autoren allein innerhalb dieses sehr spezifischen und in seiner Art wohl auch einzigartigen Bezugsrahmens sinnvoll gedeutet und transdisziplinär verständlich gemacht werden kann.

Die (bibliographischen und wissenschaftlichen) Vorarbeiten zu dem hier vorgestellten Projekt sind in der Bibliothèque nationale du Luxembourg schon vor vielen Jahren angelaufen und durch mehrere Veröffentlichungen (u.a. durch zwei Dissertationen) dokumentiert. Selber betreue ich z.Z. eine Dissertation über den Luxemburger Pädagogen und Philologen Johannes Sturm (geb. 1507 in Schleiden [damals Luxemburg]; gest. 1589 in Straßburg [Elsass]), und ich habe auch weiterhin vor, junge Nachwuchswissenschaftler mit Projekten, zu betrauen, die sich mühelos in den hier beschriebenen Rahmen einfügen ließen.  

Die Liste der idealiter zu bearbeitenden Autoren (ca. 120-150, je nach Definition) steht fest und liegt vor; ebenso eine wohl beinahe vollständige Liste ihrer Schriften (sowohl der gedruckten als auch der ungedruckten Werke). Es würde demnach im vorliegenden Fall kein Forschungsprojekt aus dem Nichts erschaffen, sondern man könnte mit vereinten Kräften auf bereits existierenden, grundsoliden Fundamente weiterbauen.

 

Der mittel- und neulateinische Arbeitsbereich im Institut für Klassische und Romanische Philologie der Universität Bonn strebt in einem ersten Schritt eine enge wissenschaftliche Zusammenarbeit mit der Luxemburger Nationalbibliothek (Bibliothèque nationale du Luxembourg) an. Die Kontaktperson innerhalb der BnL ist der dortige Leiter der Handschriften- und Zimelienabteilung, Prof. Dr. Luc Deitz. Weitere Kooperationen mit anderen einschlägigen Bibliotheken, etwa der Königlichen Bibliothek in Brüssel, sind denkbar.

 

Es ist allgemein zu wenig gewusst, dass Ernst Robert Curtius zwischen den zwei Weltkriegen häufig in Luxemburg auf Schloss Colpach bei Aline Mayrisch de Saint-Hubert zu Gast war, wo er u.a. André Gide, Paul Claudel und Jean Schlumberger kennenlernte, während die französischen Gäste des „Cercle de Colpach“ neben Curtius u.a. mit Walther Rathenau, Karl Jaspers und Annette Kolb Bekanntschaft machen konnten. Curtius schätzte an Luxemburg die in seinen Augen nur dort auf diesem Niveau mögliche Begegnung zwischen den kulturellen Welten Deutschlands und Frankreichs. In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant zu erwähnen, dass der sog. „Cercle des Amis de Colpach“ seit 2007 alle vier Jahre in Zusammenarbeit mit dem Luxemburger Kulturministerium einen Wettbewerb für die Vergabe des „Émile und Aline Mayrisch-Preises“, auslobt, der den kulturellen Austausch und das gegenseitige Verständnis der europäischen Völker im Sinne des „Geistes von Colpach“ fördern soll – also eine Zielsetzung, die der des CERC durchaus vergleichbar ist. Durch die Anbindung gerade des hier skizzierten Projekts an das Bonner CERC könnte man m.E. gleich drei „Fliegen mit einer Klappe schlagen“: Zum einen würde man Ernst machen mit dem Postulat, das Curtius’ Hauptwerk Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter zugrunde liegt, dem Postulat nämlich, dass zunächst einmal das sprachliche Substrat der Literatur (in diesem Fall das Lateinische) als der Brennpunkt einer Ellipse zu gelten hat, dessen anderer die europäische Literatur in ihrer Gesamtheit ist. Ich wüsste keinen anderen europäischen Kulturraum zu nennen, in dem sich diese beiden Brennpunkte mit ähnlicher Schärfe und Klarheit darstellen umreißen ließen, als eben den luxemburgischen. Zum anderen würde Curtius – gewissermaßen postum – wieder an den Ort seines früheren Schaffens zurückgeführt werden, und dies mit einem Projekt, das zweifellos seine uneingeschränkte Zustimmung gefunden hätte. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass der Name „Curtius“ auch heute noch in der Luxemburger Literatur- und Gelehrtenwelt hochgehalten wird, so dass es keineswegs auszuschließen ist, dass das „Centre“ mittelfristig auch eine aktive Rolle im Luxemburger Kulturleben – etwa in der Form von Vorträgen, Seminaren, Workshops oder Ausstellungen – spielen könnte. Hierzu kann ich mich freilich nicht verpflichten, doch halte ich die Perspektive an sich mitnichten für unwahrscheinlich.

 

Die – quantitativ wie qualitativ – zu erhoffenden Resultate hängen evidenter Weise von Projektlaufdauer, Mitarbeiterzahl, institutionellen Rahmenbedingungen und vielen anderen zum jetzigen Zeitpunkt nicht genau vorhersehbare Parametern ab. Im Idealfall würde ich – in Zusammenarbeit mit der BnL – eine Monographie in drei Bänden (Bd. 1: Von den Anfängen bis ca. 1620; Bd. 2: Ca. 1620-ca. 1720; Bd. 3: Ca. 1720-1815) vorschlagen. Aufbau und Inhalt der einzelnen Einträge müssten im Vorfeld genau definiert werden, um dem Gesamtwerk Einheitlichkeit zu garantieren. Der Bezug zur europäischen Literatur –bzw. die Stellung innerhalb des Spannungsfeldes zwischen Deutschland und Frankreich – müsste für jedes einzelne Werk klar

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