Französische und Italienische Dichterinnen des Mittelalters. Eine Einführung.
CERC-Projekt von Claudia Jacobi in Zusammenarbeit mit Julia Gaa
Der im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert vorherrschende Kanon der französischen und italienischen Dichtung des Mittelalters verzeichnet praktisch keine weiblichen Stimmen. Weder in Schulbüchern der 1980er bis 2010er Jahre noch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung finden weibliche Dichterinnen des 12.-14. Jahrhunderts einen angemessenen Platz – bestenfalls werden Compiuta Donzella und die südfranzösischen Trobairitz in Literaturgeschichten und Anthologien am Rande erwähnt und über ihre biographische Identität spekuliert. Die weitgehende Abwesenheit weiblicher Dichtung in der Literaturgeschichtsschreibung ist im Vergleich zu der breiteren Rezeption von Christine de Pizans Prosaschrift Cité des dames (1405) sowie den Texten der Mystikerinnen Chiara d’Assisi (1194-1253), Angela da Foligno (1248-1309) und Caterina da Siena (1347-1380) besonders auffällig und umso bedauerlicher, weil innovative und subversive Impulse – so die These des Projekts – in der mittelalterlichen Dichtung immer wieder gerade von Frauen ausgingen.
Die in der feministischen Literaturwissenschaft und universitären Lehre seit einigen Jahren zunehmende Auseinandersetzung mit früher weiblicher Lyrik soll nun auch in einem Lehrbuch gewürdigt werden, das in die wesentlichen Etappen der von Frauen verfassten Dichtung des Mittelalters einführt. Diese reichen von den Trobairitz des späten 12. und 13. Jahrhundert, über die italienischen Dichterinnen des duecento und die im trecento im verkannten Kulturzentrum von Fabriano wirkenden poetesse marchigiane, bis hin zu Christine de Pizan, der ersten Berufsschriftstellerin Frankreichs.
In vier großen Kapiteln werden die wichtigsten Dichterinnen des Mittelalters und deren Werke anhand von aufschlussreichen Beispielanalysen vorgestellt und durch Übersetzungen auch erstmals einem deutschen Lesepublikum zugänglich gemacht.